Haselmaus-Monitoring: Die kleinen Bilche sind auch in den Allgäuer Alpen heimisch
Fest eingerollt liegt sie in ihrem selbstgeflochtenen Kugel-Nest aus Gräsern, Blättern und Moos, die Beinchen mit den rosa Pfoten eng an den goldgelben Körper gezogen, den buschigen Schwanz wärmend um den Bauch gerollt. Die Haselmaus schläft, als Boris Mittermeier den Holzkasten öffnet, in dem sie ihr Nest eingerichtet hat, schläft weiter, als er sie fotografiert. Und schläft immer noch, als er sie behutsam auf die Hand nimmt. „Hungerstarre“, stellt Mittermeier fest, „eine Anpassung an Schlechtwetterphasen“. Er legt die Maus vorsichtig zurück in ihre Nestkugel und schließt den Kasten. Ein Direktnachweis einer ausgewachsenen Haselmaus für Mittermeiers Liste.
Boris Mittermeier, Förster an der Fachstelle Waldnaturschutz der Bayerischen Forstverwaltung, ist heute in der Nähe von Oberstdorf unterwegs. Die diesjährige Herbstzählung des Haselmausmonitorings steht an. 50 Kästen auf einer über zehn Hektar großen Fläche kontrolliert er auf Nester und Spuren der kleinen Nager oder gar lebende Tiere. Seit 2023 wird das Monitoring auch im Bayerischen Alpenraum durchgeführt. Der Grund: Die Haselmaus ist über die europäische Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) besonders geschützt und steht in der nationalen Roten Liste auf der Vorwarnstufe. Doch wie viele Exemplare im Alpenraum leben, wusste man bisher gar nicht. In Bayern gibt es seit 2009 ein Monitoring für Waldbewohner, die laut FFH-Richtlinie geschützt sind und beobachtet werden müssen. Die alpinen Regionen wurden jedoch lange ausgespart und so waren die Allgäuer Alpen bisher ein noch überwiegend weißer Fleck auf der Haselmaus-Karte.
Ohne gezieltes Monitoring bekommen Menschen die Haselmaus kaum zu Gesicht. Das Tier, das eigentlich keine Maus ist, sondern ein Bilch und damit eng verwandt mit dem Siebenschläfer, lebt im Verborgenen. Den Tag verbringen Haselmäuse schlafend in ihren Nestern, die sie kunstvoll ins Dickicht von Sträuchern einflechten oder in Baumhöhlen bauen. Erst nach Sonnenuntergang werden sie aktiv und gehen im Schutz der Sträucher kletternd auf Nahrungssuche nach Früchten, Samen und Nüssen. Für den Winterschlaf ziehen sie sich in ein gut isoliertes Winternest zurück, das meist gut versteckt am Boden unter Reisig oder an Baumwurzeln angelegt wird.
Weil Haselmäuse in einer Welt leben, zu der der Mensch nur begrenzt Zugang hat, ist für das Monitoring ein Trick nötig: Nistkästen, an strategischen Stellen angebracht, die die kleinen Bilche anlocken sollen. Insgesamt 100 Stück brachte Boris Mittermeier gemeinsam mit Praktikanten und Freiwilligen im vergangenen Jahr auf zwei Monitoringflächen bei Oberstdorf und Gunzesried an. Eine schweißtreibende Arbeit. Nun werden die Kästen zweimal jährlich überprüft. „Die erste Kontrolle in Oberstdorf nach einem halben Jahr war enttäuschend“, erinnert sich Mittermeier. Die Kästen seien komplett leer gewesen. Auf der Monitoringfläche bei Gunzesried habe er dagegen schon bei der ersten Kontrolle Nester und Tiere gefunden. Die kommenden Kontrollen ergaben immer mehr Nachweise von Haselmäusen, aber auch anderen Kleinsäugern wie Siebenschläfern, Wald- oder Gelbhalsmäusen.
Bei den Herbstkontrollen in diesem Jahr findet der Förster insgesamt 29 Nester. Die Bilche selbst sind wohl wegen des frühen Kälteeinbruchs im September bereits Großteils im Winterschlaf. Dennoch sprechen die Ergebnisse für sich, so Mittermeier: Die alpine Haselmaus-Population sei offenbar größer als bisher angenommen. Vor Beginn des Monitorings hatte es nur wenige Einzelnachweise in der Region gegeben, mittlerweile ist klar: Die Haselmaus ist auch in den Allgäuer Alpen zuhause. Und wo die Grund- und Waldbesitzer Hecken und Nahrungspflanzen wie Hasel, Vogelbeere oder Weißdorn erhalten und fördern, fühlt sie sich wohl.